26 Ein Teppich aus Erinnerungen, ein Raum des Innehaltens: Im ehemaligen Aufbahrungspavillon des Friedhofs Burgdorf verwandeln die Künstlerinnen Sofie Hänni und Mara Schenk den Nachlass einer Grossmutter in eine dichte, berührende Installation. «Le Tapis – der Nachlass» erzählt mit Fäden von Leben, Verlust und Weitergabe. Es ist ein stiller Ort, dieser Pavillon auf dem Friedhof Burgdorf. Ein klassizistisches Kleinod mit dorischen Säulen, einst Aufbahrungshalle, heute temporärer Kunstort. Wer ihn betritt, begegnet keinem monumentalen Werk, sondern einem Teppich. Doch was unscheinbar klingt, entfaltet sich als dichte Installation voller poetischer Kraft: «Le Tapis – der Nachlass» vom Burgdorfer Künstlerinnenkollektiv Sofie Hänni und Mara Schenk ist eine Arbeit über das Leben, das Erinnern – und ein textiles Erbe. Im Zentrum steht ein Nachlass: drei Kisten voller Wolle. Reste aus dem Haushalt von Sofie Hännis Grossmutter, einer Schneiderin, die zeitlebens strickte, nähte, häkelte. Nichts davon ist spektakulär – genau darin liegt die Stärke dieses Projekts. Die Fäden sind gelebte Geschichte, private Spurensicherung, Material gewordene Zeit. Die Künstlerinnen verweben sie zu einem Werk, das keine lineare Erzählung braucht. Stattdessen entstehen Teppichinseln, flächig ausgebreitet im Raum, mit Brüchen, Übergängen, Verdichtungen – wie Erinnerungen selbst. Was daraus entsteht, ist mehr als ein Objekt. Der Teppich wirkt wie ein sedimentiertes Tagebuch, in dem sich persönliche Biografie und kollektives Gedächtnis überlagern. Die Entscheidung, den Wollnachlass als Ausgangspunkt zu nehmen, war ein Impuls. Und doch wirkt alles stimmig: Der Ort des Abschieds trifft auf das Relikt eines gelebten Alltags, das nicht mehr gebraucht wird – aber nicht vergessen werden will. Gespür für Raum, Textur und Wirkung Entstanden ist die Arbeit in einem prozessorientierten Dialog zwischen den beiden Künstlerinnen. «Normalerweise arbeiten wir lange an Konzepten», sagt Mara Schenk. «Hier war es eher ein Hüftschuss.» Dennoch: Der intuitive Zugang mündet in ein präzises Ergebnis. Ohne konkreten Entwurf, aber mit feinem Gespür für Raum, Textur und Wirkung entwickelten die beiden Künstlerinnen eine textile Topografie, die sich an den Gegebenheiten des Pavillons orientiert. Der Teppich folgt der Architektur, greift Bodenverfärbungen auf, arbeitet mit der Kühle des Raums und seiner Geschichte. Die Technik des Tuftings – das maschinelle Einbringen von Garnen in ein Trägermaterial – bildet dabei die Kunst auf dem Friedhof Verwobene Erinnerungen im
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc3MzQ=