Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 01 - Frühling 2023

6 Schloss 100m 50m Präurbane Siedlung Erste Erweiterung, Oberstadt Ost (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) Gründungsstadt um 1200 Zweite Erweiterung Neuenstadt Holzbrunnen (1250-1300) Dritte Erweiterung Alter Markt 1322 Stadterweiterungen gemäss PD Dr. Armand Baeriswyl, Dozent für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Amtsträgers, des Schultheissen, blieb in kyburgischer Hand. Die Herrschaft hatte also immer noch die Möglichkeit zur Einflussnahme. Gibt es etwas, das es in keiner anderen Handfeste gibt? Rainer Schwinges: Ja, einen Artikel in der Burgdorfer Handfeste habe ich so noch nie gesehen. Es steht dort, dass es jedem Burger gestattet sei, vor seinem Hause steinerne Bögen zu errichten und darauf zu bauen. Das finde ich bemerkenswert, konnte man so doch sein Grundstück erweitern und dies erst noch mit gedeckten, geschützten Flächen. Sie haben viele Handfesten gesehen. Wie gefällt Ihnen unsere? Rainer Schwinges: Die Burgdorfer Handfeste ist auffallend gross. Sie besteht aus drei Pergamentseiten, die unten durch die rote Seidenschnur des Siegels des Grafen Eberhard zusammengehalten werden. Die Seiten messen 65x50 cm und sind mit grosser Sorgfalt in regelmässigen Zeilenabständen auf den ersten beiden Seiten zweispaltig, auf der dritten einspaltig beschrieben. Immerhin mussten 120 mehr oder weniger lang gefasste Artikel untergebracht werden. Der lateinische Text ist durch rote Satz- und Artikelanfänge sowie eingestreute schwarzrote Füllzeichen zugleich geschmückt und geordnet. Die erste Zeile enthält abwechselnd in schwarzen und roten Grossbuchstaben die Anrufung des dreieinigen Gottes, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, unter dessen Schutz das Rechtsgeschäft gestellt wird. Der unbekannte Schreiber der Handfeste verstand sein Handwerk und schrieb wohl in der gräflichen Kanzlei auf der Burg, und ganz gewiss auf der Höhe seiner Zeit. Und warummacht es Sinn, der Handfeste von 1273 heute noch zu gedenken? Rainer Schwinges: Weil die Handfeste ein Symbol ist für das gegenseitige Aushandeln von Rechten und Freiheiten mit einem Gegner, einer Herrschaft. Daraus entwickelte sich jene städtische, bürgerliche Mentalität, die zu den Wurzeln des liberalen Bürgertums gehört. Und dahinter stand und steht das Ziel, gemeinsam etwas zu besitzen, zu erwirtschaften und dafür Verantwortung zu übernehmen, und dieses zu verwalten. Diese Idee einer Gemeinschaft durchdringt unsere Gesellschaft bis heute.

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