Ein Kulturort auf dem Friedhof Burgdorf

Einem griechischen Tempelchen gleich steht die Alte Aufbahrungshalle auf dem Burgdorfer Friedhof. Bis vor 70 Jahren diente sie noch als Aufbahrungsstätte und Ort des endgültigen Abschiednehmens. Im Zuge der Umgestaltung und Neukonzeption des Friedhofs soll dieser als Parkanlage und auch als Begegnungs- und Kulturort wieder vermehrt wahrgenommen werden. So wird auch die Alte Aufbahrungshalle als Kulturort in Wert gesetzt.

«Le Tapis - der Nachlass» von Sofie Hänni & Mara Schenk
Von Juni bis September 2025 bespielte das Künstlerinnenduo HänniSchenk die Alte Aufbahrungshalle mit der ortsspezifischen, textilen Installation «Le Tapis – der Nachlass». Die Arbeit basierte auf dem umfangreichen Wollnachlass von Sofie Hännis Grossmutter und verband gelebte Erinnerung mit zeitgenössischer Kunstpraxis.
Die von der Grossmutter über Jahrzehnte gesammelte Wolle verarbeitete das Künstlerinnenduo mit der Technik des Tuftings, mit der Punch Needle und dem Häkchen. So verwebten sie persönliche Geschichte, haptische Erinnerung und räumliche Formfindung zu einem neuen, sinnlich erlebbaren Ganzen. Auf einer Fläche von rund 15 Quadratmetern entfaltete sich ein Teppich, der sich fliessend durch den Raum bewegte, sich an Wände schmiegte, sich ausbreitete und die Struktur des Pavillons aufgriff. Einzelne Wollknäuel aus dem Nachlass trugen noch Etiketten mit familiären Bezügen – ein Pullover für den Bruder, handgeschriebene Anleitungen. Der Teppich wurde so zu einer biografischen Spurensammlung, die Raum einnimmt, Geschichten konserviert und dabei auch das Vergängliche sichtbar macht.
«Le Tapis – der Nachlass» war eine Hommage an das weiblich konnotierte textile Handwerk, das lange als rein dekorativ galt. Die Arbeit verwebte dieses kulturelle Erbe mit einem klar konzeptionellen Anspruch. Sie lud die Besuchenden ein, sich im Raum zu bewegen, zu verweilen – vielleicht sogar mit dem Teppich in Berührung zu kommen. Mit «Le Tapis – Der Nachlass» erschufen Mara Schenk und Sofie Hänni in der ehemaligen Aufbahrungshalle auf dem Friedhof einen Raum der Erinnerung, der Verwandlung und der textilen Erzählung – poetisch, politisch und persönlich.
Die Ausstellung wurde mit einer Vernissage am 5. Juni 2025 eröffnet und war bis am 5. September 2025 frei zugänglich.
Laudatio von Tine Melzer für Sofie Hänni und Mara Schenk
Weitere Veranstaltungen, die im Rahmen der Ausstellung stattgefunden haben:
«Le Tapis - der Nachlass - Ein Spaziergang», 16. August 2025
Zum Thema «Weibliche Rollenbilder früher und heute» führte die Burgdorfer Kulturvermittlerin Simone Wahli in einem kurzen Spaziergang durch die Stadt Burgdorf und beleuchtete dabei unterschiedliche Positionen. Die Künstlerinnen Sofie Hänni und Mara Schenk verknüpften in ihrer Ausstellung im Pavillon auf dem Friedhof Burgdorf das Thema mit ihrem Werk.
Im Anschluss wurde ein kleines Apéro angeboten.
Finissage «Le Tapis - der Nachlass», 5. September 2025
Zur Finissage luden die Künstlerinnen zu einem Nachtessen beim Pavillon ein. In Zusammenarbeit mit «Brösmeli» erfanden sie ein Menü, das thematisch auf das Kunstwerk abgestimmt war und der Ausstellung einen stimmungsvollen Abschluss verlieh.
Mara Schenk (*1993) und Sofie Hänni (*1994), beide in Burgdorf wohnhaft, haben sich im Studium Kunstvermittlung / Art Education kennengelernt und arbeiten seitdem als Künstlerinnenduo zusammen. Ihre Arbeiten leben oft vom Interesse an einem bestimmten Material und einer prozesshaften Auseinandersetzung mit dessen Bearbeitungsmöglichkeiten.
Impressionen «Le Tapis - der Nachlass» in der Alten Aufbahrungshalle, Friedhof Burgdorf
(Fotos: HänniSchenk)
Video: Sofie Hänni und Mara Schenk im Arbeitsprozess für «Le Tapis - der Nachlass»
© HänniSchenk, 2025
Offener Wettbewerb für Kulturschaffende aller Sparten
Die Installation von HänniSchenk war die zweite Arbeit, die im Rahmen des offenen Wettbewerbs für künstlerische Projekte gezeigt wurde. Der wunderschöne Park des Friedhofs wurde so um einen weiteren Anziehungspunkt bereichert und lud die Menschen zum Verweilen einladen.
Im Jahr 2024 hat «Musik fürs Jenseits» des Berner Musikers und Komponisten Noel Schmidlin das Gebäude als Begegnungsort aktiviert.
Die Jury
Kevin Herzog (Teamleiter Friedhof), Rudolf Holzer (Leiter Baudirektion), Brigitte Bolzli (Trauerbegleiterin),
Dagmar Kopše (Kulturbeauftragte), Caroline Komor (Projektleiterin Kultur), Corinna Hirrle (Mitglied der Kulturkommission)
Kontakt:
Dagmar Kopše, Kulturbeauftragte, 034 429 92 23
Caroline Komor, Projektleiterin Kultur, 034 429 92 97
kultur@burgdorf.ch

«Musik fürs Jenseits» von Noel Schmidlin
Von Mitte August bis Ende Oktober 2024 war das Projekt «Musik fürs Jenseits» des Berner Musikers und Komponisten Noel Schmidlin auf dem Friedhof Burgdorf zugänglich. Die Vernissage fand am 14. August 2024 statt.
Laudatio von Thomas Samuel Jacobi für Noel Schmidlin
Noel Schmidlin befasste sich in seiner Arbeit mit dem Spannungsfeld zwischen Diesseits und Jenseits. Die Alte Aufbahrungshalle, die in ihrer ursprünglichen Funktion ein Portal zwischen Diesseits und Jenseits markierte, wurde selbst zum Klangkörper, indem kleine Motoren das Baumaterial sowie lokale Klang- und Resonanzobjekte erklingen liessen. Besuchende hatten die Möglichkeit ausserhalb des Gebäudes Schalter zu bedienen, die im Innengebäude Klänge erschufen. Die komponierende Person konnte ihre musikalische Kreation zwar nicht selbst hören, jedoch für andere spielen. So entstanden Dialoge über das Gehörte oder Gespielte.
«Musik fürs Jenseits» wurde in einem Video von Lara Wedekind dokumentiert. Im Mittelpunkt der Aufzeichnung stehen die kleinen Motoren, die auf subtile Weise die Wände des Gebäudes «abklopfen» und Gegenstände zum Klingen bringen und so eine einzigartige Komposition erzeugen.
Hier geht's zum Dokumentationsvideo «Musik fürs Jenseits»










