Vision 2050: Stadt Burgdorf - Aus Tradition Mutig
Die Stadt Burgdorf oder Burdlef, wie sie von Einheimischen liebevoll genannt wird, hat mit der Vision 2050 einen Kompass für das zukünftige Handeln von Verwaltung und Gemeinderat entwickelt.




Die Vision
Mut ist ein zentrales Motiv in der Geschichte von Burgdorf und damit ein Kernelement unserer DNA. Schon im 19. Jahrhundert spielte sie eine wichtige Rolle in der politischen Erneuerung des Kantons Bern. Immer wieder bewies sie Pioniergeist – etwa mit der ersten elektrischen Bahn der Schweiz oder als velofreundliche Stadt. Auch beim umweltfreundlichen Bauen war Burgdorf früh vorne mit dabei.
Tradition wird ebenfalls grossgeschrieben: Seit Jahrhunderten gibt es die Kadetten und die Stadtmusik, und mit der «Solätte» feiert Burgdorf das älteste Kinderfest der Schweiz. Das Schloss steht für Geschichte – aber auch für Wandel, seit es 2020 als «Schloss für alle» neu eröffnet wurde. All das spiegelt sich im neuen Slogan wider: «Stadt Burgdorf – aus Tradition mutig».
Er ist Kern des neuen strategischen Leitbilds, das die Zukunft der Stadt begleiten soll. Und er steht für die Vision 2050 unserer Stadt – eine Stadt auf dem Weg in eine selbstbestimmte und hoffnungsvolle Zukunft.
WOHLSTANDLEF
Wohlstand ist relativ. Erst recht über einige Jahrhunderte betrachtet. Aber in Burgdorf haben sich einige Bürger und Bürgerinnen schon vor 200 Jahren Gedanken darüber gemacht, dass ein zu starkes soziales Gefälle unserer Stadt und deren Bürgerinnen und Bürger auf Dauer nicht gut tut. So schlugen sie mutig und für damalige Verhältnisse eher überraschende Pflöcke ein:
Schon 1822 gründete die Gemeinnützige Gesellschaft eine der allerersten Sparkassen der Schweiz. Deren Ziel war es, auch Menschen mit kleinem Einkommen die Möglichkeit des Sparens zu geben. «Aufstieg durch Sparen» lautete das Motto. Im sicheren Sparen sah man die Stärkung der Gemeinschaft, die Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität des Ortes und die Schaffung einer langfristigen Basis für Notlagen oder einer Ausbildung. Und weil Bildung schon damals als Grundstein für Wohlstand angesehen wurde, gründete die selbe Gemeinnützige Gesellschaft wenige Jahre später eine Handwerkerschule. Der Start war harzig und die Ziele zu ambitioniert, so dass es einige Anläufe brauchte, bis eine stabile Gewerbeschule in Zusammenarbeit mit dem heimischen Gewerbe entstand. Dennoch beeindruckend ist die ursprüngliche Zielsetzung: Die Burgdorfer hatten erkannt, dass gute, systematische Bildung in Zeiten des wachsenden Bedarfs an lokalen Fachkräften ein Pfeiler des breiten Wohlstands ist. Gleichzeitig wollte die Schule auch Jugendlichen aus weniger privilegierten Verhältnissen Chancen bieten, sich handwerklich zu qualifizieren und so eine gesicherte Existenz zu ermöglichen.
Burgdorf. Aus Tradition mutig.
Im 21. Jahrhundert ist vieles anders und das Thema Wohlstand von vielen weiteren Kriterien abhängig. Dementsprechend sind in der Umsetzung der Vision 2050 mit dem Ziel, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können, ungehindert das soziale und wirtschaftliche Existenzminimum erreichen und nicht isoliert werden, viele Massnahmen vorgesehen. Vom günstigen Wohnraum bis zur sozialen Teilhabe und Integration, von der optimal abgeklärten Sozialhilfe bis zur Ganztagesschule.
LEBENSWERDLEF

Was macht einen Ort Lebenswert, was schafft Lebensqualität? In früheren Jahrhunderten wäre diese Frage sehr pragmatisch beantwortet worden: Ein Dach über dem Kopf, Arbeit, genug zum Essen und Kleider die auch im Winter warm halten. Werte oder Aspekte wie Freizeit, Kultur, Selbstverwirklichung, gute medizinische Versorgung und ausgebauter öffentlicher Verkehr sind Errungenschaften der Neuzeit.
Dennoch wurden einige Grundpfeiler der heutigen Lebensqualität bereits im Burgdorf des 19. Jahrhunderts gelegt. Die breite, öffentlich zugängliche Gesundheitsversorgung nahm ihren Anfang so recht um 1828 mit der ersten öffentlichen Krankenstube und 30 Jahre später mit der Krankenanstalt, die bald immerhin 40 Betten anbieten konnte. Daraus entstand später die Bezirkskrankenanstalt am heuten Standort des Regionalspitals.
Auch die Anfänge des sozial erfüllten, durch gesellschaftliche Aktivität bereicherten Lebens gehen weit zurück. So etwa die 1802 gegründete Stadtmusik, die zu einem der ältesten Blasmusikvereine der Schweiz gehört; oder der 1865 mit 59 Mitgliedern gegründete Männerturnverein und nicht zu vergessen das 1873 gegründete Casino Theater, das älteste Theater im Kanton Bern, das sich die Burgdorfer als gesellschaftlichen Treffpunkt und Kulturort leisteten.
Und auch die Tatsache, dass Burgdorf heute verkehrstechnisch gut erschlossen ist, was die Wohnortsattraktivität und damit die Lebensqualität entscheidend mitbestimmt, gründet im Mut der Stadt um 1850. Um den so wichtigen Anschluss an das Eisenbahnnetz zu bekommen, beschlossen beherzte Burgdorfer, den von der Centralbahn geforderten 500 Meter langen Tunnel durch den Gyrisberg auf eigene Kosten zu bauen. Die Bevölkerung finanzierte das
einmalige Projekt mit freiwilligen Beiträgen. Für die weitere Entwicklung der Lebensqualität Burgdorfs war dieser
gemeinschaftliche Kraftakt von entscheidender Bedeutung.
Stadt Burgdorf - Aus Tradition mutig
Im 21. Jahrhundert hat Lebensqualität viele Facetten. Es geht um sehr viel mehr als die existenziellen Grundbedürfnisse wie Gesundheitsversorgung, Gewährleistung von Mobilität oder Zugang zu Bildung, welche abgedeckt werden müssen. Immaterielle Aspekte sind ebenso wichtig: Soziale Beziehungen, Grünflächen und Naherholung in der Natur, saubere Luft, ein sicheres Umfeld, angenehme Wohnsituationen und Vielfalt in Kultur und Freizeit sind einige der Indikatoren, welche Lebensqualität und eine nachhaltig lebenswerte Stadt ausmachen.
KLIMAFREUNDLEF

In Sachen Umwelt- und Naturschutz sowie nachhaltiger Entwicklung gehört Burgdorf zu den Schweizer Pionierstädten. Schon 1952 entschied die Stadt, das Gebiet der Gysnauflühe unter besonderen Schutz zu stellen. Es folgten weitere Naturschutzgebiete auf Gemeindegebiet, zum Teil mit nationaler Bedeutung.
Auch bei der Förderung von Solaranlagen ging Burgdorf voraus. Das berühmt gewordene Burgdorfer Modell mit der Erfindung der kostendeckenden Einspeisevergütung wurde bereits in den 1980er Jahren vorangetrieben und 1991 umgesetzt. So wurde das weltweit erste Vergütungssystem für Solaranlagen eingeführt.
Auch im Bereich der nachhaltigen Mobilität bewies Burgdorf Mut zur Tat. Ziel des Projekts Fussgänger- und Velomodellstadt Burgdorf (FuVeMo) war es, den Treibstoffverbrauch im innerstädtischen Verkehr zu senken und die Anteile des Fuss- und Veloverkehrs deutlich zu erhöhen. Daraus entstand unter anderem die «Begegnungszone», die seither in zahlreichen
Schweizer Städten und Gemeinden Einzug gehalten hat.
Auch beim eigentlichen konkreten Klimaschutz zur Minderung des Klimawandels war Burgdorf früh aktiv. Die Stadttrat schon in den 1990er Jahren dem Klima-Bündnis Schweiz bei, in dem sich Schweizer Städte zusammenschlossen und ist seit 1999 offiziell Energiestadt, ein Label, das konsequente nachhaltige Energie- und Klimapolitik auszeichnet.
Stadt Burgdorf - Aus Tradition mutig
Jetzt, im 21. Jahrhundert drängt die Zeit. Und auf die Absichtserklärungen und oft unverbindliche Zielsetzungen
müssen Taten folgen. Burgdorf macht ernst und verpflichtet sich zu Netto-Null CO2-Ausstoss bis 2030 für die Stadtverwaltung und stadtnahe Betriebe sowie bis 2050 für das ganze Stadtgebiet. Daraus abgeleitet gibt es einen ganzen Strauss von konkreten Massnahmen und Aktionen, welche teilweise bereits umgesetzt wurden. Es wird in den nächsten Jahren viel Mut und gemeinsames Handeln benötigen, um die menschengemachte Erderwärmung zu bekämpfen.
MITEINANDLEF

Dass Gemeinschaft und ein kraftvolles Miteinander viel bewirken kann, bewiesen besonders mutige Burgdorferinnen schon im Mittelalter. Im Jahr 1388 sollen sich Burgdorfer Frauen zusammengetan haben und gemeinsam einen Angriff österreichischer Adliger erfolgreich abgewehrt haben. Als Dank dafür erhielten sie von den Berner Schultheissen eine jährliche Hühnersuppe. Ebenfalls eine Tradition der städtischen Gemeinschaft ist die jährliche Solätte, die seit 1729 die ganze Stadt friedlich in Beschlag nimmt. Doch ausgerechnet an einer Solätte traten vor etwa 25 Jahren gewalttätige Rechtsradikale aufs Parkett. Die Burgdorferinnen und Burgdorfer wollten dies nicht dulden und gründeten in der Folge die Aktion «Courage».
Hunderte Burgdorferinnen und Burgdorfer bekannten sich namentlich zu «Courage» als starkes Zeichen gegen Gewalt und Rassismus. Eine weitherum beachtete Bewegung, die sich über die Gemeindegrenzen ausgeweitet hat.
Stadt Burgdorf - Aus Tradition mutig
Gemeinschaftsgefühl und Respekt lassen sich nicht verordnen. Aber sie lassen sich fördern. Etwa indem in Quartieren gemeinschaftsfördernde Angebote genutzt werden, die Integration von Migrantinnen und Migranten begünstigt wird oder positive generationenübergreifende Erlebnisse entstehen.
Die Vision 2050 und die im Legislaturplan abgeleiteten konkreten Massnahmen sind vielfältig und zielen allesamt
darauf ab, die Burgdorfer Stadtgesellschaft zu friedlichem, respektvollen, freundlichem und kreativen Zusammenleben zu ermuntern.